Die digitalen Puppenspieler: Wie KI-Influencer den Faschismus ins Wohnzimmer bringen

Es beginnt mit einem harmlosen Video. Eine junge Frau sitzt auf einem sonnendurchfluteten Balkon, ein Buch in der Hand, eine Tasse Kaffee auf dem Tisch. Ihr Lächeln ist einladend, ihre Stimme sanft. Sie spricht über Achtsamkeit, gesunde Ernährung, traditionelle Werte. Alles wirkt unaufgeregt, harmonisch, unverdächtig. Doch wer genau hinhört, bemerkt, wie sich zwischen Wellness-Tipps und Lifestyle-Ratschläge ein anderes Narrativ schleicht.

Plötzlich geht es um die „wahren Werte“ der Familie, um die „Verweichlichung“ der Gesellschaft, um die „Gefahren“ einer zu offenen Welt. Ganz subtil, fast nebenbei, werden Begriffe fallen gelassen, die ein bestimmtes Weltbild transportieren: eins, das zwischen „uns“ und „den anderen“ unterscheidet. Eins, das auf Ausgrenzung, Angst und vermeintlicher Identitätsbewahrung basiert.

Aber die Frau auf dem Bildschirm ist nicht echt. Sie ist eine Simulation. Ein KI-generiertes Gesicht mit einer perfekt berechneten Mimik, optimiert für maximale Sympathie und Glaubwürdigkeit. Hinter ihr steht keine Person, kein echtes Leben, sondern eine politische Agenda. Und sie ist nicht allein.

Die Armee der Geister – Wie KI die Propagandamaschine antreibt

Die neuen rechten KI-Influencer sind kein Zufall, sondern ein Symptom einer perfiden Strategie. Sie sind Teil einer umfassenden Manipulationskampagne, die Social Media als Waffe nutzt. Dabei geht es nicht mehr um klassische Propaganda mit plumpen Parolen. Die Zeiten von aggressiven Hasspredigern mit kahlrasierten Köpfen sind vorbei. Die neuen Faschisten tragen Blümchenkleider, posten Kochrezepte und sprechen mit ruhiger Stimme über Politik.

Und sie sind überall. Die Algorithmen der Plattformen arbeiten für sie, verstärken ihre Inhalte, empfehlen sie genau den Menschen, die empfänglich für ihre Botschaften sind. Ihre Posts mischen sich nahtlos mit alltäglichen Inhalten, sodass der Übergang zwischen einem Fitness-Tutorial und einer fremdenfeindlichen Botschaft kaum noch erkennbar ist. Besonders gefährlich: Die KI kann in Sekunden neue Gesichter erschaffen, neue Profile generieren, neue Stimmen in den digitalen Raum werfen. Ein Heer von perfekten, sympathischen Meinungsführern, die gar nicht existieren.

Diese Mechanismen folgen einer klaren Strategie:

  • Parasoziale Bindung: Menschen entwickeln eine emotionale Beziehung zu Influencern, die sie regelmäßig sehen. Einem Nachrichtensprecher glaubt man, weil er seriös wirkt. Einer jungen Frau auf TikTok glaubt man, weil sie so nett und vertrauenswürdig erscheint. Aber was, wenn sie nicht real ist?
  • Schleichende Normalisierung: Keine offenen Nazi-Parolen, keine aggressive Hetze. Stattdessen wird subtil ein Weltbild gesät, das sich langsam ins Denken frisst. Man könnte ja „mal drüber nachdenken“. Man könnte ja „nicht alles glauben, was die Mainstream-Medien erzählen“. Und schon beginnt der schleichende Zweifel an demokratischen Prinzipien.
  • Algorithmische Verstärkung: Jede Interaktion zählt. Wer einmal auf ein Video klickt, bekommt mehr davon. Wer einmal Interesse zeigt, wird mit ähnlichen Inhalten gefüttert. Und wer sich in diesen Kreislauf begibt, gerät in eine Echokammer, die sich immer weiter radikalisiert.

Von der digitalen in die reale Welt – Die Folgen sind brandgefährlich

Es ist kein Zufall, dass rechtsextreme Straftaten zunehmen (bpb.de [16]). Die Ideologie, die sich durch das Internet verbreitet, bleibt nicht dort. Sie beeinflusst das gesellschaftliche Klima, sie macht extreme Positionen sagbar, sie bereitet den Boden für reale Gewalt.

Beispiele gibt es genug:

  • Der Sturm auf das Kapitol in den USA wurde durch monatelange Online-Propaganda vorbereitet.
  • Rechtsextreme Anschläge in Deutschland haben oft ihren Ursprung in digitalen Radikalisierungsprozessen.
  • Antidemokratische Bewegungen wachsen, weil ihr Weltbild im Netz geschickt inszeniert wird – und sich zunehmend normal anfühlt.

Wenn rechtsextreme KI-Influencer massenhaft Inhalte verbreiten, dann geht es nicht um Meinungsaustausch. Es geht um eine gezielte, strategische Manipulation, die die Demokratie untergräbt. Und das Schlimmste: Die meisten Nutzer merken es nicht einmal.

Die Rolle der Plattformen – Totale Verantwortungslosigkeit

Facebook, Instagram, TikTok, Telegram – all diese Plattformen wissen, dass sie zum Spielplatz extremistischer Manipulatoren geworden sind. Und doch tun sie fast nichts.

  • Die Algorithmen sind darauf programmiert, Inhalte zu verstärken, die starke Emotionen hervorrufen – und nichts erzeugt mehr Interaktion als Angst, Wut und Polarisierung (bpb.de [17]).
  • Fake-Accounts lassen sich in wenigen Minuten erstellen und in großem Stil nutzen. Löscht man einen, tauchen zehn neue auf.
  • Plattformbetreiber verstecken sich hinter „Meinungsfreiheit“, anstatt aktiv gegen digitale Desinformation vorzugehen.

Die AfD beispielsweise nutzt diese Strukturen perfekt aus: Mit koordinierter Online-Strategie erreichen sie auf TikTok mittlerweile doppelt so viele Erstwähler wie alle anderen Parteien zusammen (bpb.de [17]). Und das ist nur die Spitze des Eisbergs.

Was tun? – Ein Kampf um die Realität

Der Kampf gegen diese neue Form der Propaganda ist schwer, aber nicht aussichtslos. Doch er beginnt nicht auf den Servern von Social Media-Konzernen – er beginnt bei uns allen.

  • Medienkompetenz ist der Schlüssel: Jeder Nutzer muss lernen, Inhalte zu hinterfragen, Quellen zu prüfen und sich bewusst zu machen, dass das, was auf Social Media gezeigt wird, nicht unbedingt echt ist.
  • Die Politik muss handeln: Klare Regeln, Transparenzpflichten für Plattformen, striktere Maßnahmen gegen Fake-Accounts – der digitale Raum darf kein rechtsfreier Raum bleiben.
  • Zivilgesellschaftlicher Widerstand ist nötig: Gegenrede, faktenbasierte Aufklärung, Entlarvung der Mechanismen – wir dürfen die digitale Öffentlichkeit nicht kampflos extremistischen Kräften überlassen.

Es reicht nicht mehr, sich über Fake News zu empören. Wir stehen vor einer Zeitenwende, in der die Realität selbst zur Verhandlungsmasse geworden ist. Wer die Deutungshoheit über die Wirklichkeit verliert, verliert auch die Demokratie.

Die rechtsextremen KI-Influencer sind keine harmlosen Experimente. Sie sind digitale Trojanische Pferde, die sich ins Denken schleichen und unser Weltbild manipulieren. Und wenn wir nichts tun, dann werden sie nicht nur unsere Timelines übernehmen – sondern irgendwann auch die Parlamente.